Es erweckt den Anschein, als befände sich China bereits mittendrin in einer Krise, die sich noch deutlich verschärfen dürfte, nachdem sich einerseits der Kapitalabzug wieder intensiviert hat und Bank Runs auf regionale Kreditgeber andererseits anhalten.

Verstaatlichungsreigen zum Stabilitätserhalt an den heimischen Finanzmärkten

Seitens der chinesischen Banken- und Versicherungsregulierungsbehörde vernehmen wir, dass am Freitag neben vier Versicherungsunternehmen auch drei Wertpapierbroker und zwei Trust-Firmen verstaatlicht worden sind.

Die kumulierte Summe der hierfür benötigten Bailouts beläuft sich auf umgerechnet knapp 145 Milliarden US-Dollar. Die betroffenen Versicherer setzen sich aus den folgenden vier Unternehmen zusammen:

  • Huaxia Life Insurance,

  • Tianan Life Insurance,

  • Tian An Property Insurance und

  • Yian Property Insurance

Ferner werden neben den beiden Trust-Firmen New China Trust und New Times Trust auch die drei Wertpapierbroker New Times Securities, Guosheng Securities und Guosheng Futures verstaatlicht.

Laut der chinesischen Banken- und Versicherungsregulierungsbehörde verfolgten die jetzt zu beobachtenden Nationalisierungen der jeweiligen Unternehmen den Zweck, die Operabilität der verstaatlichten Unternehmen weiter zu gewährleisten und die Stabilität an den heimischen Finanzmärkten aufrechtzuerhalten.

Kollaps jederzeit möglich

Ich habe die Entwicklungen im chinesischen Banken- und Finanzsystem über den Verlauf der vergangenen Jahre intensiv verfolgt und kommentiert, um zu dem Fazit zu gelangen, dass der umgerechnet 43 Billionen US-Dollar schwere Koloss (doppelte Größe Amerikas) aufgrund von extremen Kapitalfehlallokationen nicht nur auf allzu tönernen Füßen steht, sondern ein Kollaps jederzeit im Bereich des Möglichen liegt und einzukalkulieren ist.

Niemand kann das chinesische Daten-Dickicht durchschauen

Selbst wenn der chinesischen Führung mit Wohlwollen begegnet würde, so möchte ich darüber hinaus noch einmal wiederholen, dass den Wachstums-, Konjunktur- und vielen anderen veröffentlichten Daten der chinesischen Behörden kein Vertrauen entgegengebracht werden kann.

Doch auf eben jenem Vertrauen fußt letztendlich vieles, wenn nicht alles. Denn da, wo kein Vertrauen herrscht, fällt es schwer, sich noch zu irgendwelchen Investitionsentscheidungen durchzuringen.

Wie oft habe ich über die vergangenen Jahre vernommen, dass sich im chinesischen Dickicht der Finanzmärkte, Kapitalfehlallokationen und leerstehenden Leuchtturmprojekte – wie an den Immobilienmärkten – eigentlich niemand mehr wirklich auskenne, geschweige denn über einen Überblick verfügen würde, was in China tatsächlich abgehe.

Dass die Drähte in China bei einigen wenigen Personen an der gesellschaftlichen Spitze zusammenlaufen, legen Meldungen nahe, laut denen jene nun durch die Verstaatlichungen betroffenen Finanzunternehmen mit dem inzwischen in Ungnade gefallenen Finanzier Xiao Jianhua in Verbindung zu stehen scheinen.

Chinesische Elite in Pekings Fadenkreuz

Im Falle Xiaos handelt es sich um den Gründer jener Tomorrow Holding, die sich auch als Hauptanteilseigner der im vergangenen Jahr verstaatlichten Baoshang Bank erwies. Wie ich Ihnen <link wirtschaftsfacts beitrag weckruf-baoshang-bank-unter-staatlicher-kontrolle _blank>damals berichtete, handelte es sich aus Sicht der Baoshang Bank immerhin um einen Kreditgeber, der über ein Bilanzbuch von umgerechnet 100 Milliarden US-Dollar verfügt.

Delikat ist, dass Xiao, der inzwischen über eine kanadische Staatsbürgerschaft und darüber hinaus auch gute Kontakte zu Chinas Volksbefreiungsarmee verfügt, seit dem Jahr 2017 spurlos verschwunden ist. Das letzte Mal wurde Xiao zu Beginn des Jahres 2017 in einem Hongkonger Luxushotel gesehen.

Seit einem sich daran anschließenden Aufenthalt in Festlandchina im Januar 2017 gilt Xiao als verschwunden und nicht mehr erreichbar. Xiao zählte bis dahin zum elitären Club der chinesischen Mega-Investoren, die jetzt schon seit einiger Zeit ins Fadenkreuz der heimischen Aufsicht und Regulierungsbehörden geraten sind.

HNA Group und Anbang lassen grüßen…

Auf die finanziellen Probleme der Konglomerate HNA Group und Anbang bin ich in der Vergangenheit <link beitrag post china-anbang-quasi-verstaatlicht-chef-gefeuert-und-strafverfolgt _blank>hinlänglich eingegangen. Ähnlich wie im Fall der HNA Group und Anbang erhöhte sich über die letzten Jahre auch der staatliche Druck auf Xiao, um dringend benötigte Cash-Reserven mittels von Verkäufern gehaltener Unternehmensbeteiligungen im Ausland zu generieren.

Als Stichwörter gelten unter anderem ehemalige Beteiligungen an der Deutsche Bank AG, dem Luxushotel Waldorf Astoria oder anderer Gebäudekomplexe in den USA. Wie dem auch sei, so lässt sich seitens der chinesischen Banken- und Versicherungsregulierungsbehörde die Stellungnahme vernehmen, dass es zu den nun erfolgten Verstaatlichungen auch deshalb habe kommen müssen, weil die betroffenen Unternehmen gegen heimische Versicherungsgesetze verstoßen hätten.

Ähnlich wie im Fall von Bankübernahmen in den USA haben die chinesischen Regulierer sechs große Versicherungs- und Finanzunternehmen dazu angewiesen, die aktiven Geschäfte der von der Verstaatlichung betroffenen Unternehmen fortzuführen. Nachdem die Baoshang Bank in 2019 durch die chinesische Notenbank übernommen wurde, war es ebenfalls eine der Staatsbanken, welche zur Fortführung des aktiven Geschäfts als Kreditgeber gezwungen wurde.

Analysten blicken mit einem recht flauen Gefühl auf die aktuellen Geschehnisse in China, darauf hinweisend, dass China im laufenden wie auch im nächsten Jahr stark wachsenden Finanzrisiken ausgesetzt sein werde, weil das Wachstum zu gering sei und die Entwicklung der globalen Pandemie in den Sternen stünde.

…und weiter geht´s im Takt

Um die heimische Wirtschaft maximal zu stützen, hat die Pekinger Staatsführung die Banken des Landes angewiesen, ihre Kreditvergabe an kleine und mittelgroße Unternehmen deutlich auszuweiten. Doch eben jene Kreditnehmer sind ohnehin schon tief bis über beide Ohren verschuldet und zählen zu den ausfallgefährdetsten Darlehensnehmern im ganzen Land.

Resultat ist, dass die faulen Schulden in Chinas Bankensystem im ersten Halbjahr nochmals an Fahrt aufgenommen haben, woran sich so schnell wahrscheinlich auch nichts ändern wird. Ganz im Gegenteil, wird sich dieser Prozess im zweiten Halbjahr unter aller Voraussicht fortsetzen.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Anhaltende Runs, scheiternde Banken und Verstaatlichungen von Bank- und Finanzinstituten werden die Anzahl der zu beobachtenden Runs noch erhöhen. Was wir zurzeit beobachten, ist nur die Spitze des Eisbergs. Wird erst einmal eine kritische Masse erreicht sein, wird sich die Pekinger Regierung vor die Tatsache gestellt sehen, dass es unmöglich werden wird, große Staatsbanken weiterhin heimlich, still und leise anzuweisen, einer wachsenden Anzahl von kollabierenden Kommunal- und Regionalbanken einen Bailout zu liefern.

Abschließend sei aus dieser Perspektive nochmals gesagt, den chinesischen Dollar-Währungsreserven keinen zu hohen Stellenwert beizumessen, zumal sich hiervon gerade mal etwas mehr als eine Billion US-Dollar leichterdings flüssigmachen ließe. China wird seine Währungsreserven angesichts einer sich augenscheinlich entwickelnden Bankenkrise noch brauchen – und aufbrauchen – und kann entgegen der Federal Reserve keine US-Dollars am Fließband drucken.

Sollten die USA die Absicht verfolgen, China von innen heraus zu destabilisieren, so ist dies der Hebel, den es anzusetzen gilt. Ich bin zudem gespannt darauf, welche Mittel Peking nun ergreifen wird, um den Versuch zu unternehmen, die sich intensivierende Kapitalflucht zu stoppen.

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